Achtsame Verbindung: Im Gespräch mit Liane Stephan

Was bedeutet achtsame Verbindung in einer Welt, die oft von Trennung, Stress und Geschwindigkeit geprägt ist? Wie können Unternehmen und Menschen wieder bewusster miteinander in Kontakt treten – auf eine Weise, die nicht nur Zusammenarbeit fördert, sondern auch Kreativität und Innovation ermöglicht?
Liane Stephan beschäftigt sich seit vielen Jahren mit diesen Fragen. Als Unternehmerin, Coach und Expertin für Achtsamkeit und systemisches Arbeiten begleitet sie Menschen und Organisationen dabei, neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln. In einem inspirierenden Gespräch teilt sie ihre Einsichten darüber, warum wir uns oft von uns selbst und anderen entbinden – und wie wir es schaffen, wieder in eine tiefere, bewusstere Verbindung zu treten.
Dieses Interview gibt spannende Impulse zu den Themen Achtsamkeit, Verbindung und systemisches Denken und zeigt, warum echte Verbundenheit eine zentrale Rolle für persönliche und unternehmerische Transformation spielt.
- Warum wir uns entbinden – und wie wir zu einer achtsamen Verbindung zurückfinden
- Warum sie unsere Art des Miteinanders verändert
- Achtsame Verbindung in Organisationen: Wie Unternehmen von mehr Bewusstsein profitieren
- Achtsame Verbindung in der Zukunft: Wie können wir sie aktiv gestalten?
- Fazit: Achtsame Verbindung als Weg in eine neue Kultur des Miteinanders
Warum wir uns entbinden – und wie wir zu einer achtsamen Verbindung zurückfinden
Obwohl wir in einer digital vernetzten Welt leben, fühlen sich viele Menschen isolierter denn je. Unternehmen arbeiten in Strukturen, die oft Distanz schaffen statt Nähe, und in unserer Gesellschaft verstärkt Stress den Eindruck, dass jeder für sich selbst kämpfen muss. Doch diese Trennung ist eine Illusion – in Wahrheit sind wir immer miteinander verbunden.
Einer der zentralen Gründe für dieses Gefühl der Entkopplung ist Stress. Wenn Menschen unter Druck stehen, bleibt kaum Raum für Reflexion, Zuhören oder Mitgefühl. Stattdessen schaltet das Gehirn in einen Tunnelblick-Modus, in dem es nur noch funktioniert. Dieser Zustand macht es schwer, sich auf andere einzulassen oder neue Perspektiven zuzulassen. Gerade der älteste Teil unseres Gehirns – das Reptilienhirn oder der Primat – sorgt oft für diesen Tunnelblick. Er ist darauf programmiert, in Bedrohungssituationen blitzschnell zu reagieren: kämpfen, fliehen oder erstarren. Doch dieses Muster greift nicht nur in echten Gefahrenlagen, sondern auch dann, wenn wir uns herausgefordert fühlen – sei es durch eine ungewohnte Sichtweise, eine kritische Rückmeldung oder eine neue Art des Arbeitens. Anstatt offen zu bleiben, ziehen wir uns unbewusst in gewohnte Denk- und Verhaltensweisen zurück.
Auch unser kultureller Fokus auf Individualismus verstärkt die Trennung. Der Mensch betrachtet sich oft als unabhängige Einheit – getrennt von der Natur, von seinen Mitmenschen und manchmal sogar von sich selbst. Diese Perspektive beeinflusst auch Organisationen. Viele Unternehmen sind hierarchisch und funktional organisiert, sodass Verbindungen zwischen Menschen oft auf ein Minimum reduziert werden.
Doch Verbindung ist keine Frage der Möglichkeit, sondern der bewussten Entscheidung. Trennung entsteht nur dann, wenn wir uns aktiv entbinden – sei es durch digitale Kommunikation ohne echte Begegnung, durch vorschnelles Bewerten oder durch einen hektischen Alltag, der keine Zeit für aufmerksames Miteinander lässt.
Die gute Nachricht: Es gibt Wege, bewusster in Verbindung zu treten. Achtsamkeit spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie ermöglicht es, innezuhalten und wahrzunehmen, was tatsächlich geschieht – anstatt reflexhaft zu agieren.
Warum sie unsere Art des Miteinanders verändert
Verbindung entsteht nicht von selbst – sie ist das Ergebnis bewusster Aufmerksamkeit. In einer Zeit, in der Stress, Leistungsdruck und digitale Kommunikation oft die Oberhand gewinnen, braucht es klare Praktiken, um Begegnungen aktiv zu gestalten.
Ein zentraler Faktor dabei ist Achtsamkeit. Sie hilft uns, aus automatisierten Mustern auszubrechen und mit offenen Augen, Ohren und Herzen auf andere zuzugehen. Doch was bedeutet das konkret?
- Präsenz im Moment: Wirkliche Nähe entsteht nur, wenn wir uns auf unser Gegenüber einlassen – ohne Ablenkung, ohne voreilige Antworten im Kopf, ohne Wertung. In Unternehmen zeigt sich oft das Gegenteil: Meetings sind durchgetaktet, Multitasking ist die Norm, und Austausch bleibt oberflächlich.
- Gemeinsame Erfahrungsräume schaffen: Wenn Menschen zusammenkommen, um sich offen auszutauschen – sei es in einem persönlichen Gespräch oder in Formaten wie dem Council – entsteht eine andere Qualität der Begegnung. Es geht nicht darum, sofort Lösungen zu finden, sondern darum, wirklich gehört zu werden.
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Mitgefühl statt reiner Empathie: Empathie bedeutet, die Gefühle des anderen zu fühlen. Doch das alleine hilft nicht. Mitgefühl geht einen Schritt weiter: Es bedeutet, zu erkennen und zu fühlen, was der andere empfindet – jedoch nicht mit ihm zu verschmelzen, sondern handlungsfähig zu bleiben. In Gehirn-Termini bedeutet das, dass wir wahrnehmen, was der andere fühlt, und gleichzeitig aus dem Diplomaten heraus reagieren, anstatt im Automaten zu verharren. Während Empathie uns emotional in die Gefühlswelt des anderen hineinzieht, bewahrt Mitgefühl eine gesunde Distanz. Dadurch bleibt es möglich, mit Klarheit und Bewusstsein zu handeln – sei es in zwischenmenschlichen Beziehungen oder im beruflichen Kontext.
Verbindung kann nicht erzwungen werden – sie entsteht, wenn Menschen sich gegenseitig Raum geben, sich in ihrer Ganzheit wahrzunehmen. Genau hier setzt achtsame Verbindung an.
Achtsame Verbindung in Organisationen: Wie Unternehmen von mehr Bewusstsein profitieren
In vielen Unternehmen herrscht ein hoher Grad an Stress, Tempo und Druck. Strukturen sind oft darauf ausgelegt, Prozesse zu optimieren – doch selten wird Raum geschaffen, um bewusst in Verbindung zu treten. Dabei ist genau das entscheidend, um langfristig gesunde, erfolgreiche und resiliente Organisationen zu gestalten.
Warum fehlt es oft an Verbindung?
In stressbeladenen Umfeldern geht die Fähigkeit zur echten Begegnung verloren. Liane Stephan beschreibt in ihrem Gespräch mit Gesa Heiten, wie Stress die Wahrnehmung einschränkt: Wer im Tunnelblick gefangen ist, kann nicht neugierig sein, nicht offen zuhören und keine wirklichen Begegnungen zulassen. Dies zeigt sich in Unternehmen oft durch:
Reiz-Reaktionsmechanismen: Hohe Belastung führt dazu, dass wir nicht die gesamte Situation wahrnehmen, sondern nur einen kleinen Ausschnitt, den unser Gehirn als die ganze Wahrheit interpretiert. Wir reagieren auf Basis dieses verzerrten Bildes – und wiederholen dadurch unsere gewohnten Denkmuster und Handlungen.
Das Ergebnis: Wir drehen uns im Kreis. Ohne neue Perspektiven bleibt Veränderung aus, und Innovation hat keine Chance. Nur durch bewusstes Innehalten und Reflexion können wir diesen Mechanismus durchbrechen und wirklich neue Wege entdecken.
Mangelnde Präsenz: Die Taktung des Lebens ist hoch – wir hetzen von einem Termin zum nächsten, sind permanent erreichbar und ständig in digitaler Kommunikation. Doch in diesem Dauerzustand bleibt kaum Raum, um andere Informationen bewusst aufzunehmen oder zur Ruhe zu kommen.
Wir sind physisch in Meetings anwesend, aber oft nicht wirklich da. Unsere Aufmerksamkeit springt zwischen Aufgaben hin und her, ohne sich tief mit dem Gegenüber oder dem Thema zu verbinden. Echter Austausch entsteht jedoch erst, wenn wir uns bewusst entscheiden, präsent zu sein – und unserem Gegenüber wirklich zuzuhören.
Hierarchische Distanz: Hierarchische Distanz
Wir gehen oft noch von alten Strukturen aus, in denen klare Hierarchien vorgeben, wer spricht und wer zuhört. Unsere Wahrnehmung gaukelt uns vor, dass wir uns nicht anders verhalten dürfen – dass gewisse Stimmen mehr Gewicht haben als andere oder dass Offenheit mit Risiko verbunden ist.
Doch oft sind es unbewusste Glaubenssätze, die uns in diesen Mustern halten. Anstatt sie zu hinterfragen, bewegen wir uns weiter in den gewohnten Bahnen. Wirkliche Veränderung entsteht erst, wenn wir uns bewusst machen: Welche Denkmuster und Strukturen hindern uns daran, anders zu agieren? Und was könnte möglich werden, wenn wir es wagen, Offenheit und Austausch aktiv zu fördern?
Wie lässt sich achtsame Verbindung fördern?
Achtsame Verbindung ist eine bewusste Entscheidung, die im Alltag trainiert werden kann. Unternehmen, die darauf Wert legen, schaffen Strukturen, die:
Raum für echte Begegnung bieten: Sei es durch Rituale, Reflexionsräume oder Formate wie dem Council – ein bewusst gestalteter Austausch verändert die Dynamik.
Verbindung zu sich selbst stärken: Führungskräfte, die ihre eigene Achtsamkeit schulen, agieren mitfühlender, ohne die eigenen Ziele zu verlieren. Sie erkennen, wann Empathie gefragt ist, ohne sich in den Emotionen anderer zu verlieren. Dadurch bleiben sie handlungsfähig, treffen reflektierte Entscheidungen und schaffen eine Atmosphäre, in der sowohl Menschen als auch Unternehmensziele gleichermaßen im Fokus stehen.
Das Spiel wiederentdecken: Liane Stephan beschreibt, wie spielerische Elemente und eine forschende Haltung Kreativität und Verbundenheit in Teams fördern können.
Eine Organisation, die achtsame Verbindung integriert, erkennt den Menschen hinter der Rolle. Sie schafft eine Kultur, in der es nicht nur um Leistung, sondern um echtes Miteinander geht – und genau das macht langfristigen Erfolg möglich.
Achtsame Verbindung mit dem, was größer ist: Perspektiven über das Individuum hinaus
Achtsame Verbindung endet nicht bei uns selbst oder in der Organisation. Sie erstreckt sich auch auf größere Zusammenhänge – sei es die Gesellschaft, die Natur oder ein gemeinsames Zukunftsbild, das über das Hier und Jetzt hinausgeht.
Warum ist diese Verbindung so wichtig?
Liane Stephan beschreibt in ihrem Gespräch, dass wir oft in isolierten Denkmustern feststecken. Unternehmen und Individuen betrachten sich als getrennte Einheiten, anstatt sich als Teil eines größeren Systems zu begreifen. Dabei gibt es entscheidende Aspekte, die in der heutigen Zeit stärker in den Fokus rücken sollten:
- Die Verbindung zur Natur: Viele Menschen und Organisationen haben sich von ihrer natürlichen Umgebung entfremdet. Dabei hat sie eine direkte Wirkung auf unser Wohlbefinden, unsere Kreativität und unsere Entscheidungsfähigkeit.
- Gemeinschaft statt Isolation: Statt in Konkurrenz zu denken, ermöglicht achtsame Verbindung eine kooperative Haltung – in Unternehmen, in Netzwerken und in der Gesellschaft.
- Zukunftsorientiertes Handeln: Nur wenn wir bewusst darüber nachdenken, welche Welt wir mitgestalten wollen, können wir auch aktiv Einfluss nehmen. Eine Kultur der achtsamen Verbindung bedeutet, Verantwortung für das große Ganze zu übernehmen.
Wie lässt sich diese Verbindung stärken?
In vielen Kulturen sind Rituale und Reflexionsräume eine bewährte Methode, um das Bewusstsein für größere Zusammenhänge zu schärfen. Unternehmen können bewusst Räume schaffen, in denen Zukunftsfragen reflektiert werden. Auch kleine Veränderungen im Alltag – wie mehr Natur in Arbeitsräumen, bewusste Pausen oder das Einbinden verschiedener Perspektiven – können einen Unterschied machen.
Die Frage, die bleibt, ist: Wie können wir achtsame Verbindung so gestalten, dass sie nicht nur uns selbst, sondern auch die Welt um uns herum bereichert?
Achtsame Verbindung in der Zukunft: Wie können wir sie aktiv gestalten?
Achtsame Verbindung ist keine statische Eigenschaft, sondern ein lebendiger Prozess, der kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt werden muss. Doch wie können wir diese Haltung in unseren Alltag, in Unternehmen und in die Gesellschaft tragen?
1. Räume für Begegnung und Austausch schaffen
Echte Verbindung braucht Orte, an denen sie entstehen kann. In Unternehmen könnten regelmäßige Reflexionsformate wie Councils oder Gesprächsrunden helfen, in denen bewusst zugehört und wertfrei gesprochen wird. Aber auch informelle Begegnungsräume, in denen Menschen sich jenseits von To-do-Listen und Meetings begegnen können, fördern das Miteinander.
2. Verbindung zur Natur bewusst herstellen
Liane Stephan beschreibt, wie stark sich unsere Umgebung auf unser Wohlbefinden und unsere Wahrnehmung auswirkt. Unternehmen könnten ihre Arbeitsumgebung stärker in natürliche Räume integrieren – sei es durch Rückzugsorte im Grünen oder durch bewusst geplante Naturerfahrungen. Auch persönlich kann ein achtsamer Spaziergang oder die bewusste Wahrnehmung der Umgebung helfen, eine tiefere Verbindung zum eigenen Umfeld und zu sich selbst aufzubauen.
3. Achtsame Führung und Entscheidungsfindung fördern
In einer Welt, die oft von Geschwindigkeit und Effizienz geprägt ist, braucht es Führungspersönlichkeiten, die sich Zeit für bewusste Entscheidungen nehmen. Achtsame Führungskräfte sind sich ihrer Rolle bewusst und laden alle ein, sich zu einer Situation zu äußern – damit das Bild genauer wird und fundierte Entscheidungen entstehen. So werden verschiedene Perspektiven integriert und die kollektive Intelligenz genutzt.
4. Gemeinsame Visionen entwickeln
Eine der zentralen Fragen aus dem Gespräch war: Wie stellen wir uns eine Welt vor, die auf echter Verbindung basiert? Wenn Unternehmen, Teams und Gemeinschaften sich Zeit nehmen, um bewusst Zukunftsbilder zu entwickeln, entsteht eine Orientierung, die weit über den individuellen Nutzen hinausgeht. Statt in starren Strukturen zu verharren, ermöglicht es eine achtsame Verbindung, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und mit einer offenen Haltung in die Zukunft zu gehen.
Die bewusste Gestaltung von Verbindung – zu uns selbst, zu anderen und zu dem, was größer ist – kann eine tiefgreifende Veränderung bewirken. Es braucht Mut, alte Muster zu hinterfragen, Routinen zu durchbrechen und neue Wege zu gehen. Doch genau darin liegt die Chance, nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch unsere Welt aktiv mitzugestalten.
Fazit: Achtsame Verbindung als Weg in eine neue Kultur des Miteinanders
Das Gespräch mit Liane Stephan zeigt eindrucksvoll, dass achtsame Verbindung weit über individuelle Achtsamkeit hinausgeht. Es geht darum, wie wir miteinander in Beziehung treten, wie wir Räume für echte Begegnung schaffen und wie wir mit Offenheit und Neugier aufeinander zugehen.
In einer Zeit, die von Trennung und Vereinzelung geprägt ist – sei es durch digitale Kommunikation, Stress oder festgefahrene Strukturen – ist die bewusste Rückkehr zur Verbindung essenziell. Dies betrifft nicht nur unser persönliches Leben, sondern auch die Art und Weise, wie wir Unternehmen führen, Teams gestalten und als Gesellschaft miteinander umgehen.
Achtsamkeit hilft uns, aus der Reiz-Reaktions-Dynamik auszutreten und bewusster wahrzunehmen, wie wir mit anderen interagieren. Unternehmen, die achtsame Verbindung in ihre Kultur integrieren, schaffen nicht nur ein gesünderes, sondern auch ein kreativeres und resilienteres Arbeitsumfeld.
Es liegt an uns, diese neue Haltung aktiv zu gestalten – durch Zuhören, Mitgefühl, Reflexion und den Mut, neue Wege zu gehen. Achtsame Verbindung ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine Haltung, die es ermöglicht, nachhaltige Beziehungen aufzubauen und gemeinsam eine lebendige Zukunft zu erschaffen.
Wenn dich, liebe lesende Person, das Interview interessiert- hier ist der Link dazu:
Kenncode: A#gpj5Qd
Übersicht:
- Warum wir uns entbinden – und wie wir zu einer achtsamen Verbindung zurückfinden
- Warum sie unsere Art des Miteinanders verändert
- Achtsame Verbindung in Organisationen: Wie Unternehmen von mehr Bewusstsein profitieren
- Achtsame Verbindung in der Zukunft: Wie können wir sie aktiv gestalten?
- Fazit: Achtsame Verbindung als Weg in eine neue Kultur des Miteinanders