Führung im Übergang: Was Theaterproben über Teamdynamik verraten

Führung im Übergang zeigt sich oft dort, wo man sie am wenigsten erwartet – zum Beispiel in einem Laientheaterprojekt. Ich stehe mit elf Frauen auf einer Probebühne. Jede von uns bringt etwas mit: eine Rolle, ein Skript, eigene Erwartungen. Doch sobald die erste Szene beginnt, wird klar: Der Weg von der Vorstellung zur Wirklichkeit ist voller Reibung. Und genau darin liegt das Potenzial.
Was sich auf der Bühne abspielt, ist mehr als Theater – es ist ein Spiegel für gruppendynamische Prozesse: Missverständnisse, Rückzug, Trotz, überraschende Wendungen. All das erinnert an Phasen in Teams, in Projekten oder in Veränderungsprozessen. Es ist die „Storming“-Phase, die kein Scheitern bedeutet, sondern Lebendigkeit. Wer achtsam bleibt, kann gerade hier echte Verbindung erleben und gestalten.
In diesem Blogartikel teile ich, wie mich diese Probenzeit inspiriert hat, Führung neu zu denken – nicht als Machtinstrument, sondern als Raumhalterin für Wandel. Und ich zeige, warum Formate wie der Unternehmer-Council genau diesen Erfahrungsraum bewusst eröffnen – jenseits von Kontrolle, hin zu einem kollektiven Spielraum.
Führung im Übergang – Der Probenraum als Erfahrungsraum
Ein leerer Raum. Ein paar Stühle. Ein Textbuch in der Hand. Was simpel beginnt, wird schnell vielschichtig: Jeder kommt mit inneren Bildern – von der eigenen Rolle, vom Zusammenspiel, vom idealen Ablauf. Doch was sich dann zeigt, ist weniger kontrollierbar als gedacht. Plötzlich entsteht Spannung. Eine Geste irritiert, ein Kommentar triggert. Die Probe wird zum Spiegel für das, was im Inneren lebt.
In solchen Momenten wird der Probenraum zum echten Lernraum. Denn hier begegnet uns nicht nur das Stück, sondern auch unsere eigene Achtsamkeit. Wie präsent bin ich? Höre ich wirklich zu oder warte ich nur auf meinen Einsatz? Lasse ich Raum für andere – oder verteidige ich unbewusst meine Idee von „so müsste das laufen“?
Diese Dynamiken erinnern stark an Teamprozesse: Auch dort treffen Idealvorstellungen auf Realität. Und wie im Theater wird deutlich, dass Übergänge nicht glatt verlaufen. Führung im Übergang zeigt sich genau in solchen Schwellenmomenten – wenn Erwartungen enttäuscht, Rollen unsicher, Strukturen durchlässig werden.
Gerade dann braucht es keine schnellen Lösungen, sondern eine bewusste Haltung. Eine, die erkennt: Jeder bringt nicht nur seinen Text, sondern auch seine Geschichte mit. Und manchmal braucht es erst Zuhören, bevor der nächste Schritt gemeinsam entstehen kann.
Die Storming-Phase – keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Lebendigkeit
Kaum beginnt das Zusammenspiel, zeigt sich, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sind. Kleine Missverständnisse wirken plötzlich groß. Jemand zieht sich zurück, jemand anderes wird laut. Die sogenannte Storming-Phase beginnt – jene Phase, in der sich Gruppen nach dem ersten Kennenlernen aneinander reiben, orientieren und oft auch kollidieren.
Was nach Chaos aussieht, ist in Wahrheit ein natürlicher Teil jedes gemeinschaftlichen Prozesses. Und mehr noch: ein Zeichen dafür, dass Leben in der Gruppe pulsiert. Wer versucht, diese Phase zu vermeiden oder zu „glätten“, verhindert Entwicklung. Denn gerade hier zeigen sich Bedürfnisse, blinde Flecken – und das Potenzial für neue Wege.
Im Theater wie im Team hilft in solchen Momenten kein zusätzlicher Druck, sondern Verbindung. Wer den Kontakt hält, Fragen stellt und sich zeigt, statt sich zu verschließen, wird Teil einer neuen Dynamik. Humor kann hier Wunder wirken – ein Lächeln, das Spannungen löst, ein Satz, der die Perspektive weitet.
Auch das Drama-Dreieck lässt sich hier beobachten: Opfer, Täter, Retter – vertraute Rollen, die unbewusst eingenommen werden. Doch wer innehalten kann, bemerkt das Spiel – und kann aussteigen. So wird die Storming-Phase nicht zum Problem, sondern zum Portal: in Richtung Vertrauen, Klarheit und gemeinsames Gestalten.
Führung im Übergang – Ensemble statt Einzelkämpfer
Führung im Übergang zeigt sich dort, wo das Ziel noch nicht klar vor Augen liegt und der Weg gemeinsam entsteht. In solchen Phasen braucht es weniger Kontrolle als Kontakt – ein feines Gespür für Dynamiken und den Mut, sich mitten ins Geschehen zu stellen. Theaterproben sind dafür ein erstaunlich präziser Spiegel: Wer sich hier nur auf den eigenen Text konzentriert, verpasst den Klang des Ganzen.
Was auf der Bühne geschieht, ist kein Nebenschauplatz, sondern Lernraum für kollektives Handeln. Jede Stimme zählt, jede Reaktion verändert das Bild. Führung wird dabei zur Kunst, Räume zu halten – für Unterschiedlichkeit, für Suchbewegungen, für gemeinsame Entwicklung.
Drei Haltungen unterstützen diesen Prozess:
- Ko-Kreation ermöglichen: Gute Führung lädt andere ein, mitzugestalten. Sie moderiert, statt zu diktieren. In Übergängen ist diese Haltung besonders kraftvoll, weil sie Vertrauen stärkt und neue Perspektiven aufscheinen lässt.
- Vielfalt anerkennen: Unterschiedliche Impulse und Ausdrucksformen machen Teams lebendig. Ein Ensemble lebt davon, dass nicht alle gleich denken oder handeln. Führung bedeutet hier, Spannungen zu navigieren und Raum für diese Vielfalt zu geben – ohne sie vorschnell aufzulösen. Genau darin entfaltet sich achtsame Verbindung.
- Klarheit ohne starre Antworten: Wenn Strukturen wanken, ist Orientierung gefragt. Doch Orientierung heißt nicht, alles zu wissen – sondern präsent zu bleiben, Fragen offen zu halten und Prozesse achtsam zu begleiten. Das verlangt innere Standfestigkeit.
Dabei zeigt sich: Selbstwert wirkt leise, aber stabilisierend. Wer sich seiner selbst sicher ist, muss weder überdecken noch kontrollieren. Diese Haltung macht Führung in Übergangszeiten tragfähig – weil sie nicht auf ein Skript pocht, sondern Spielraum eröffnet.
Council als Bühne für neue Narrative
Manchmal braucht es andere Räume, damit neue Gespräche möglich werden. Räume, in denen es nicht um Effizienz geht, sondern um Echtheit. In denen Fragen wichtiger sind als Antworten – und in denen die Geschichten hinter den Positionen hörbar werden. Der Council ist ein solcher Raum. Und für viele Führungskräfte ist er wie eine zweite Bühne: eine, auf der nicht gespielt, sondern wirklich gesprochen wird.
Im klassischen Council sitzen Menschen im Kreis. Ohne Agenda, ohne Bewertung, ohne den Anspruch, etwas erreichen zu müssen. Wer spricht, tut das aus dem Moment heraus. Wer zuhört, hört mit dem Herzen. Diese Praxis – so einfach sie klingt – verändert die Qualität von Begegnung tiefgreifend. Denn sie lädt dazu ein, sich zu zeigen. Nicht nur mit Ideen, sondern mit inneren Bewegungen, Zweifeln, Suchbewegungen.
Gerade im Kontext von Führung im Übergang wird deutlich, wie hilfreich solche Räume sind. Denn Übergänge lassen sich nicht managen wie ein Projektplan. Sie verlangen Beziehung, Resonanz, Mut zur Ungewissheit. Der Council schafft dafür einen sicheren Rahmen – wie ein Ensemble, das sich jenseits der Bühne trifft, um zu spüren, worum es gerade wirklich geht.
Der Unternehmer-Council
Im Unternehmer-Council, einer spezifischen Form dieser Praxis, erleben Führungskräfte genau das: ein ehrliches Miteinander ohne Masken. Die Rollen des Alltags – Entscheider, Visionär, Troubleshooter – treten in den Hintergrund. Stattdessen treten Menschen in Kontakt, die Verantwortung tragen – und sich dennoch fragen: Wie geht es mir eigentlich damit? Was bewegt mich, was überfordert mich, was inspiriert mich?
Hier entstehen neue Narrative. Nicht als Strategie, sondern als Wirkung von Resonanz. Wer zuhört, verändert sich. Wer spricht, ordnet sich innerlich neu. Aus Einzelstimmen wird ein gemeinsamer Klang – und oft auch eine neue Sicht auf die eigene Führungsrolle.
Diese Form des Dialogs ist keine Methode im klassischen Sinne, sondern eine Haltung. Sie zeigt, dass Führung nicht immer Sprechen heißt – sondern oft genau dann wirkt, wenn sie sich dem Zuhören widmet. Wenn sie Raum lässt für das, was entstehen möchte. Wenn sie Verbindung zulässt – auch dort, wo bisher Trennung war.
In einer Zeit, in der viele Teams unter Druck stehen und Organisationen sich neu erfinden müssen, ist der Council ein kostbarer Möglichkeitsraum. Eine Bühne ohne Spotlights, aber mit Tiefe. Und damit ein Ort, an dem Zukunft wachsen kann – aus echter Begegnung.
Fazit: Führung im Übergang beginnt im Dazwischen
Führung im Übergang zeigt sich nicht auf der großen Bühne, sondern im feinen Raum dazwischen – zwischen Erwartung und Realität, zwischen Rolle und Begegnung. Die Theaterprobe macht spürbar, wie nah Führung am Menschlichen ist: Wer sich dort zeigt, wo noch nichts klar ist, schafft Verbindung. Wer zuhört, wo andere sich verlieren, stiftet Richtung.
Im Ensemble-Prozess wie im Council entsteht ein wertvoller Lernraum: kein Ort für fertige Antworten, sondern für echtes Teamwriting – eine gemeinsame Erzählung, die aus vielen Stimmen entsteht. Hier kann sich Führung neu entfalten: als Haltung, die nicht alles wissen muss, aber bereit ist, Raum zu halten. Für Wandel. Für Unterschiedlichkeit. Für Resonanz.
Vielleicht ist genau das die eigentliche Kunst von Führung: nicht die Bühne zu beherrschen, sondern den Raum zu gestalten, in dem andere aufblühen können.